Einen Sommer ohne Schmetterlinge möchte man sich ungerne vorstellen. Vor allem die großen Tagfalter kommen jedem sofort vor Augen, was daran liegt, dass sie die mitunter auffälligsten Insekten sind. Von den rund 3.700 Falterarten, die Deutschland hat, sind etwa 180 sogenannte große Tagfalter. Viele aktuelle Studien zeigen einen starken Rückgang der Artenvielfalt und auch der Bestände der noch nicht ausgestorbenen Insektenarten auf. Andere Studien zeigen, dass es auch einen Vormarsch einzelner Spezies gibt und das vom Insektensterben offenbar nicht alle Arten gleichermaßen betroffen sind. Wie sieht also die Zukunft unserer Schmetterlinge aus?
Sommer ohne Schmetterlinge
Krefelder Studie
Spätestens seit der sog. Krefelder Studie aus dem Jahr 2017 horcht die Welt auf beim Stichwort Insektensterben. Die Untersuchung bescheinigt, dass es in den letzten drei Jahrzehnten einen Rückgang der Fluginsekten um etwa 75% gegeben hat. Hierzu wurde zwischen 1989 und 2016 die Entwicklung in 63 deutschen Schutzgebieten mittels Malaise-Fallen aufgezeichnet. Betrachtet man nicht das ganze Jahr, sondern nur den Hochsommer, hier gibt es i.d.R. die meisten Fluginsekten, liegt der Rückgang sogar bei rund 82%.
Mit Malaise-Fallen lassen sich angeblich 90% der vorkommenden Fluginsekten fangen, insofern verfügen die Krefelder Entomologen nun über eine breite Datenbasis. Leider sind anscheinend nicht nur einzelne, sensible oder seltene Arten betroffen, sondern alle. Daher erhärtet sich der Schluß, dass ein grundsätzliches Problem vorliegen muss.
Die heutzutage relflexartig jeder Umweltproblematik übergestülpte Begründung „Klimawandel“ kann beim Thema Insektensterben höchstwarscheinlich ausgeklammert werden. Die im Rahmen der Krefelder Studie parallel verlaufene Klimadatensammlung zeigt hier keine Zusammenhänge.
Externe Meinung
Der NABU äußert die Vermutung, dass es an den Einflüssen der die untersuchten Schutzgebiete umfassenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft läge. Sämtliche Schutzgebiete in Deutschland seien sehr klein und somit Insellagen. Die Nutzung von Pestiziden und Kunstdünger im Umland der Schutzgebiete habe Einfluß auf die Artenpopulationen im Schutzgebiet selbst. In der Tat ist leicht vorstellbar, dass Gifte in die Schutzgebiete getragen werden oder dass Fluginsekten auf die Felder fliegen und dort verenden. Naturschutzgebiete haben schließlich keine Käseglocke über sich.
Vermutlich ist auch die Habitat-Einengung einmal mehr zu nennen, denn seit den 90er Jahren sind 90% der landwirtschaftlichen Brachflächen in Deutschland verschwunden, die bis dahin zur Reduktion der landwirtschaftlichen Überproduktion freizuhalten waren. Siehe hierzu auch den Artikel „Alltagsvögel im Sinkflug“ in diesem Blog.
Kritische Stimmen
An der Krefelder Studie gibt es seitens Fachverbänden aber auch Kritik. So z.B. kritisiert der VBIO (Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland), dass die Studie nicht in Arten differenziert, sondern nur das Nassgewicht der Fangausbeuten gemessen hat. Einzelne Großinsekten brächten aber viel mehr auf die Waage als beispielsweise eine Vielzahl kleiner Mücken. Außerdem seien die in Insektenpopulationen üblichen Spitzenjahre nicht ausreichend abgebildet, denn an den jeweiligen Messstellen sei nicht über 27Jahre kontinuierliche gemessen worden, sondern immer nur zusammenhängende Zeiträume von ein bis drei Jahren.
Trotz dieser und anderer Kritikpunkte sind sich aber anscheinend alle einig, dass die Krefelder Studie die derzeit beste Datenbasis für das Thema in Deutschland darstellt. Könnte es sein, daß hier viel zu wenig seitens unserer Regierung und professionellen Fachverbänden getan wird? Warum sind es ausgerechnet Freizeitforscher, die eine solche Studie dankenswerter Weise vorlegen und dann auch noch von den „Profis“ dafür kritisiert werden?
Tagfaltermonitoring
Eine weiteres Projekt ist das vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ( UfZ ) ins Leben gerufene Tagfaltermonitoring, bei dem freiwillige „Bürgerforscher“ in regelmäßigen Abständen festgelegte Zählstrecken ablaufen, sogenannte Transekten, und dabei die Bestände an Tagfaltern zählen. 2005 ist das Projekt gestartet und somit kann bereits auf eine Datenbasis von 15 Jahren zurückgegriffen werden.
Gemäß des Jahresaqschlußberichtes 2019 gibt es sowie Rückgänge bei manchen Arten, als auch Zuwächse bei anderen Arten. In der Summe scheinen sich die Anzahl der Gewinner- und Verliererarten laut diesem Papier etwa auszugleichen. Ein deutlich positiveres Ergebnis also, als in Anbetracht der Krefeldstudie für unsere Schmetterlinge zu erwarten gewesen wäre.
Aber was sind schon 15 Jahre für eine Langzeitbeobachtung eines derart komplexen, schleichenden Phänomens. Außerdem gibt es sicher einen Zusammenhang zwischen den im Bewusstsein der Menschen noch vorhandenen Falterarten und deren gutem Ergebnis im Tagfaltermonitoring. Es sind einfach oft vorkommende Alltagsarten. Sogenannte Generalisten, die mit sich ändernden Umständen in Ihrer Lebensumgebung besser auskommen als die Lebensraumsspezialisten. Die bekommt man erst gar nicht mehr vor die Linse, daher fällt auch keinem mehr auf, dass sie verschwinden, außer den Entomologen. Insofern ist nachfolgende Auflistung nicht repräsentativ, sondern soll nur einige schöne, noch vorzufindende Schmetterlinge zeigen:
Sommer ohne Schmetterlinge
Regensburger Studie
Eine Gruppe von Forschern hat eine Langzeitstudie für den Falterbestand am Beispiel des Regensburger Raums angefertigt und beschreibt, wie sie Veränderungen in der Artenzusammensetzung einer südostdeutschen Schmetterlings- und Burnet-Motten-Gemeinschaft über fast zwei Jahrhunderte, von 1840 – 2013, analysierten. Der Grad der Habitatspezialisierung der Arten und Ihrer Larvenwirtspflanzen stand besonders im Fokus der Untersuchung. Für den gleichen Zeitraum wurden Daten zu Temperatur und Niederschlag für das Untersuchungsgebiet zusammengetragen. Nur durch Langzeitbeobachtung dieser Art seien Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Arten, deren Verteilung und die Zusammensetzung von Artengruppen möglich.
Im Ergebnis sind im Zeitraum von 1840 bis 2013 von ehemals 117 Arten ganze 39 Arten aus dem Untersuchungsbereich verschwunden. Vor allem sogenannte Lebensraumspezialisten sind zurückgegangen, wohingegen es Zuwächse bei den Habitat-Generalisten gab. Die Studie hält sich, wie derzeit fast alle Untersuchungen, mit der Identifikation der Gründe für diese Rückgänge zurück. Es könne am Klimawandel liegen, aber auch an der zunehmenden Fragmentieren der Lebensräume für solche Tiere.
Sommer ohne Schmetterlinge
Fazit
Die derzeit vorliegenden Studien geben den Fachleuten offenbar nur wenig Möglichkeiten, genaue Aussagen über die Zukunft unserer Schmetterlinge zu treffen. Entweder lokal oder zeitlich zu punktuell oder nicht Arten-differenziert genug sind offenbar die Datenbestände. Hier gibt es anscheinend erheblichen Nachholbedarf. Zum lange rumrätseln auf löchriger Datenbasis bleibt aber kaum mehr Zeit, jedenfalls nicht so lange, wie nötig ist, um tragfähige Langzeitbeobachtungen durchzuführen. Vielleicht macht es Sinn, genau jetzt viel Fördergeld in effiziente Schutzmaßnahmen zu stecken, auch wenn die wissenschaftlich wasserdichten Daten noch nicht da sind. Eventuell haben unsere Entomologen dann in den nächsten 200Jahren noch Zeit, diese Datenlücken zu stopfen.
Unstrittig sollte jedoch sein, dass die moderne Landwirtschaft mit jedem Mal, da sie sich ausdehnt, den natürlichen Lebensraum von Schmetterlingen einengt, und mit jedem Mal, da Kunstdünger und Pestizide eingesetzt werden, Fluginsekten systematisch vergiftet. Die derzeitig in vollem Gange befindlichen Diskussionen um die anstehende Agrarreform lässt hier aus Sicht der Umweltschützer wenig Hoffnung aufkommen, dass sich Grundlegendes an der aktuellen Intensivlandwirtschaft ändert.
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