Eine der spannendsten und zugleich auch einsamsten Bergtouren rund um den Königsee ist die Überschreitung des Kleinen Watzmann (2.307), auch Watzmannfrau genannt. Die Tour ist anspruchsvoll und wird meist nur von Einheimischen und angereisten Fexen umliegender Bergregionen begangen. Vor allem die Einsamkeit steht völlig im Gegensatz zum oft stark überlaufenen großen Bruder Watzmann (2.713), und genau darin liegt der Reiz der Tour.
Tourdaten
Kleiner Watzmann | 2.307m |
Mooslahnerkopf | 1.815m |
Höhenmeter aufwärts | 870m |
Höhenmeter abwärts | 870m |
Strecke | 6,34km |
reine Gehzeit (ca.) | 4,5h |
Wanderstrecken nach SAC Skala (T1-T6) | T6 |
Kletterstellen nach UIAA Skala | II |
Klettersteigstellen nach Schallskala (A-E) | – |
Kondition | erforderlich |
Orientierungssinn | erforderlich |
Trittsicherheit | erforderlich |
Schwindelfreiheit | erforderlich |
Kurzbeschreibung
Von der Kühroint Alm, unserem Ausgangspunkt der Tour, ist auf der Nordansicht des Kleinen Watzmann fast der ganze Streckenverlauf grob erkennbar. Durch den Fichtenforst geht es aufwärts am Westgrat zu den Latschenfeldern. Am Ende der Latschenzone, im Übergang zu Schrofengelände und Fels, befindet sich die erste Schlüsselstelle, der sogenannte Gendarm. Es folgen dann noch einige gleichwertige Kletterstellen. Sicherungen sind an keiner Stelle vorhanden. Der Gipfel selbst steckt in obigem Foto gerade den Wolken. Abwärts geht es dann über den Ostgrat. Das vor diesem nördlich abfallende Schotter- und Geröllfeld, das durchstiegen werden will, ist von unten erkennbar. Das sehr markante sogenannte Fensterl, eine mächtige Kerbe im Ostgrat, ist zu durchsteigen. Dann geht es über diffuse Unwegsamkeiten mit vielen Wechseln über Schrofen und Geröll, teils trocken und teils nass, weiter abwärts zum Mooslahnerkopf, am Bildrand links. Hat man diesen erreicht, ist der Rest kein Problem mehr.
Impressionen
Belohnt wird die Anstrengung mit einem unvergesslichen Überschreitungserlebnis über ausgesetzte Grate mit vielfachen Ausblicken auf den (großen) Watzmann, das Watzmannkar, den Königsee, und alle umliegenden Gebirge wie Steinernes Meer, Hagengebirge, Göllstock, Untersberg, und mehr. Kaum eine Bergtour im Berchtesgadener Land verläuft durch ähnlich wilde und bizarre Landschaft, bei kaum einer fühlt man sich der Mythen umwobenen Bergwelt des Watzmann so nah. Und das Beste ist, dass man dabei sämtlichen Hüttentrubel komplett hinter sich lässt.
Weitere Informationen
Anspruch
Zwar sind die Schlüsselstellen „nur“ dem Grad II UIAA zuzuordnen und im übrigen klassifiziert der DAV die Route als W6, aber deswegen anzunehmen, es handle sich um eine „simple“ Wandertour, wird der Sache nicht gerecht. Denn Unwegsamkeit und schwieriges Gelände, heikel ausgesetzte Stellen und viele Kraxelpassagen Grad II, teils schlechte Markierung und schwierige Routenfindung kommen zusammen.
Vor allem die unangenehme Rutschigkeit von oft nassem Nordwand-Fels, unter anderem in Verbindung mit Erdmatsch in Wald- und Wiesenbereichen, verlangen dem Berggeher einiges ab. Zudem ist an vielen Stellen wie beispielsweise dem Gendarm und dem Fensterl die Ausgesetztheit und Absturzgefahr erheblich und die Absturzhöhe bemisst gleich im dreistelligen Bereich. Letztere Stelle ist vor allem bei Nässe heikel, denn man quert eine sehr steile Felsplatte auf wenigen Grasflecken.
Auch ist zu erwähnen, dass weite Strecken des Anstiegs und fast der ganze Abstieg aus recht unwegsamem Gelände bestehen. Geröll und Schotter sind meist ungesetzt und daher kipprig bzw. leicht abgängig. Schrofen und grob durchgestufte Felspassagen oft unangenehm durch nassen Erdmatsch rutschig und daher erschwert. Festzuhalten ist daher, dass die Klassifizierung T6 ist nicht nur punktuell vorhanden ist. Allenfalls der erste Teilanstieg bis zum Gendarm ist etwas einfacher. Somit verlangt die Tour einiges an Kondition und Trittsicherheit ab und ist als langwierig zu bezeichnen.
Top-Tip
Im unteren Teil des Abstiegs, man glaubt sich fast unten, kann man noch einen unschönen Fehler machen: Wählt man die vermeintlich kürzere und auch deutlich sichtbarere Variante ohne Mooslahnerkopf-Überschreitung, weil man denkt es sei unanstrengender, sich diesen letzten Gipfel zu sparen, wird man das mit umso mehr heiklen, schlatzig nassen Stellen bezahlen, die den Tourenspaß sogar noch deutlich relativieren können.
Praktische Hinweise
- Geh diese Tour am Besten, wenn es eine zeitlang trocken war, die Tour findet fast ausschließlich an Nordwände statt, die nach Regenperioden noch lange nass und rutschig sind.
- Die Strecke ist nicht durchgängig gut gekennzeichnet, daher auf Steinmannel und Trittspuren achten. Eine Navigation per GPS ist sinnvoll, siehe hierzu vor allem Top-Tip. Ebenso, wenn man die Tour andersherum gehen will, die Wegfindung auf dem Ostgrad ist aufwärts schwieriger als abwärts. Bei Nebel sollte der Rückzug angetreten werden, denn vor allem der Abstieg über den Ostgrad ist bei schlechter Sicht heikel.
- Die erste Schlüsselstelle, der sogenannte Gendarm, lässt sich einfacher meistern, wenn in die im Fels vorhandene Öse eine Karabiner-Schlaufe eingehängt wird.
- An vielen Kletterstellen ist der Fels rau und hat teils scharfe Kanten, wer zarte Finger hat nimmt Kletterhandschuhe mit.
- Zeitig aufbrechen, damit man sich besonders im Abstieg an schwierigen Stellen viel Zeit lassen kann.
- Unten wieder angekommen eine verdiente Buttermilch in der Kühroint trinken 😉
Literatur
Kartenmaterial
Nationalpark Berchtesgaden – Watzmann
M. 1 : 25.000
Blatt Nr. BY21
Einkehr
Aufstiege
Wanderparkplatz Hammerstiel | Hammerstielstraße 50 83471 Berchtesgaden |
Wanderparkplatz Wimbachbrücke | Wimbachweg 2 83486 Ramsau |
St. Bartholomä über Rinnkendlsteig | Anreise mit dem Boot über den Königssee |
No responses yet