Die Hochkalterüberschreitung ist vorwiegend geprägt von sehr viel leichter Grat- und Felsenkletterei im ersten Grad. Einfach ein Genuss. Aber es gibt eben diese bereits viel beschriebenen beiden Schlüsselstellen, die zuvor zu nehmen sind. Die erste ist ein nicht allzu steiler Aufgang durch eine von Latschen durchtriebene Felsplatte von nicht mehr als 50m Länge. Die Stelle im ersten Grad endet am sogenannten “Schönen Fleck”, einem Gratsattel zwischen Schärtenwandkopf und Rotpalfen auf ca. 2.000m Höhe, mit Blick auf die westlich gelegene Reiteralpe. Wer bis hierhin nennenswerte Probleme hatte, oder von der Blaueishütte mehr als 1,5 Stunden Zeit verbrauchte, sollte für sich das Gesamtvorhaben noch einmal hinterfragen. Es kommt noch sehr sehr viel Tour und vor allem die eigentliche Kletterei. Ein Abstieg über den Schönen Fleck, Gamssulzen und Luchsgang – vielleicht mit einer Forelle am Hintersee – bietet sich an und machte den Tag auch noch zu einem Erfolg.
Zwischen Schärtenwandkopf und Rotpalfen kommt man auf ein Plateau mit Schneefeld auf ca. 2.180m Höhe, das von einer Felswand begrenzt wird. Die gilt es zu überwinden. Auch wenn diese vielfach als 15m hohe Felswand im Grad II bezeichnet wird, liegt die eigentliche Schwierigkeit doch „nur“ im unteren Bereich. Hat man die ersten 5m überwunden, wird es zunehmend leichter, da gute Tritte und Griffe hinzukommen und sich die Neigung reduziert. Trotzdem ist diese kleine Stelle im unteren Bereich heikel und nicht zu unterschätzen. Die wenigen Tritte sind teils winzig und rar, und genau deswegen auch glattpoliert. Nicht ganz so wie die Füße der heiligen Jungfrau Maria im Petersdom, aber von Grip kann hier keine Rede sein. Kommt Nässe hinzu, ist die vermeintlich kleine Stelle wirklich unschön und kann zum Tourstopper werden, vor allem wenn die Nerven nicht mitspielen.
Einige Ösen finden sich im Fels. Hier und da haben offenbar Bergsteiger in der Vergangenheit versucht die Stelle zu entschärfen. Eine „offizielle“ Versicherung gibt es allerdings nicht, obwohl die Stelle mit wenigen Stiften und/oder einem Griffbügel leicht entschärfbar wäre. Aber das ist wohl nicht gewollt, trägt es wohl der Exklusivität der Tour zu.
Die Schlüsselstelle hinter sich gebracht – wer kann, darf ruhig einmal laut jodeln – wird es einfach nur noch schön. Der lange Grat vorbei an Rotpalfen, über den Kleinkalter zum Hochkalter lässt sich genüsslich mit einigen eingestreuten Würzigkeiten im Grad I durchsteigen. Die Fernblicke bei guter Sicht in alle Richtungen der umliegenden Bergwelt sind erstklassig. Der Abstieg durch das Ofental nach Hintersee ist selbstredend stellenweise unangenehm steil und steinig. Die Route zieht sich wie Kaugummi, aber wie soll es bei einem Berg diese Kategorie auch anders sein. Am Ende hilf ein kühles Fußbad im kalten Klausbach.
Die Tour wird in den einschlägigen Bergführern als sehr schwere Bergtour beschrieben, die den „ganzen Bergsteiger“ fordert. Es wird empfohlen sich vor Antritt genauestens zu belesen.
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