Im April dreht sich in Holland alles um die Tulpe. Durch die riesigen Anbaufelder ist die ganze Landschaft wie mit dem ganz dicken Pinsel in knallbunten Steifen bemalt. Es werde Hubschrauberflüge angeboten. Paraden mit nur aus Blumen bestehenden Motivwagen fahren von Stadt zu Stadt. In Blumenparks werde Millionen von Blumen für Millionen von Besuchern ausgestellt. Flowerpower Tulpen in Holland
Kurzabriss: Unsere Fahrradtour geht von Amsterdam über Haarlem in den Nationalpark Zuid-Kennemerland, nach Zandvoort, den Keukenhof zum Tulpen gucken, nach Nordwijk, Katwijk, durch die Dünenlandschaft Meijendel nach Den Haag, an Delft vorbei nach Rotterdam, und dann zu den Mühlen von Kinderdijk. Die knapp 160km mit ca. 410 Höhenmetern lassen sich auf zwei Tage verteilt so bequem bewältigen, dass man zwischendurch genug Zeit für Bloemencorso, Keukenhof und Spaziergänge durch Dünen und Windmühlen hat.
Flowerpower Tulpen in Holland
Zuid-Kennemerland
In Düsseldorf in den Zug rein, in Amsterdam aus dem Zug raus, durch die Randbezirke Amsterdams nach Haarlem: Ein gleichmäßig öde-steinernes und alltägliches, kaum aufregendes Erlebnis. Wenige Kilometer nach Amsterdam und Haarlem aber beginnt der „Nationaalpark Zuid-Kennemerland“ und es ändern sich einige Dinge schlagartig. Sandige Dünenlandschaft ersetzt Beton und Asphalt, küstennahe Dürr-Vegetation ersetzt urbaner Verdichtung und Zweckbauten. Die Landschaft wird menschenleer und es geht auf und ab. Topografie in Holland ? Wir werden in den nächsten Tagen lernen, dass man auch in einem Land, das im Großen und Ganzen flach wie ein Butterbrot ist, in Tagessumme trotzdem einiges an Höhenmetern fahren kann. Das Beste aber, für menschen aus dem Fahrrad-Entwicklungsland Deutschland kommend immer wieder ein Aha-Erlebnis: Wie überall in den Niederlanden, unfassbar gute Fahrradwege: Mal wieder Probs an Holland.
Das Dünengebiet Zuid-Kennemerland ist 3.800 Hektar groß und besteht aus dürrer Vegetation von Dünengras, Dornbüschen und Stranddisteln. Nur vereinzelt gibt es Bäume, denn nur punktuell gibt der Grundwasserhaushalt das her. Zimperliche Arten kommen aufgrund des starken Küstenwindes und des Sandes hier ohnehin nicht durch.
Konik-Pferde
Neben Damwild und schottischen Hochlandrindern gibt es im Nationalpark wild lebende Pferde; Shetlandponys und Konik-Pferde. Bei letzteren streiten die Gelehrten, ob es sich um einen Abkömmling des längst ausgestorbenen osteuropäischen Tarpanpferdes handelt oder um einen Mix von alltäglichen Hauspferderassen. Wie auch immer, sie leben hier wild und halten Ihre Population.
Die Wegepflicht ist nötig, die Vegetation ist empfindlich und ohnehin kaum in der Lage den kargen Sandboden zu bewuchern. Verletzungen brauchen Jahre, um wieder zuzuwachsen.
Der Höchste Berg der Region ist übrigens der Hazenberg mit 32m üNN.
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Vogelmeer
Das Vogelmeer, ein See, der kleiner ist, als der Name suggeriert, liegt mitten im Nationalpark und stellt einen Grundwasserhaushalt bereit, der sogar einen kleinen Saum von Kiefernwald ernähren kann. Hier sind zahllose Wasservögel wie Silbermöven, Wildenten, Kormorane, Graureiher u.v.m. zuhause.
In den Dornbüschen um den See herum leben und brüten viele Singvogelarten, angeblich 100 Arten. Ich hatte Glück, ein herrlich gefärbter Stieglitz kam vor meine Linse.
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Elswout
Ein „Buitenplaats“ („Außenplatz“) war eine Sommerresidenz für reiche Stadtbewohner in den Niederlanden. Während der „Goldenen Zeit“ der Niederlande im 17. Jahrhundert wurden viele Händler und Stadtverwalter in niederländischen Städten sehr wohlhabend. Viele von ihnen kauften Landgüter und bauten Villen, um sie als Sommerresidenz zu nutzen.
Elswout ist eines von drei riesigen Landgüter der Region, die vor Jahrhunderten von reichen Städtern angelegt wurden. Duinvliet, Elswout und Middenduin einen großen Forst und Landschaftsgärten, die heute von der Bevölkerung als Naherholungsgebiet genutzt werden.
Die damalige Orangerie ist heute gastronomisch genutzt, aber nur zu buchen für festliche Gelegenheiten. Schade, das lernten wir erst vor Ort, denn hier wollten wir eigentlich einkehren. Man scheuchte uns nett von der Terrasse.
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Der Kleiber klebt den Eingang zu seiner Baumhöhle, in der er seine Jungen aufzieht, mit Lehm bis auf ein kleines Schlupfloch zu. Die Höhle kann eine natürliche Baumhöhle oder eine verlassene Spechthöhle gewesen sein, der Kleiber ist nicht wählerisch. Er ist ein kompaktes, kräftiges Vögelchen. Mit seinen kräftigen Krallenfüßen kann der Kleiber sogar kopfüber die Baumstämmen herunter gehen.
Höchster Berg der Region: Appelberg, 25m üNN
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Keukenhof
Der Keukenhof gilt als der größte Blumenpark der Welt. Eine Armada von Helferlein hat hier Monate lang über 7 Millionen Blumenzwiebeln gepflanzt. Tulpen, Hyazinthen, Narzissen, Nelken und viele Arten mehr. Jedes Jahr ist die Blumenwelt thematisch anders aufgesetzt.
Mit dem Fahrrad sind wir an Kilometern Parkplatz vorbeigefahren, denn Viele reisen auch mit dem Wohnwagen an, und noch mehr Massen kommen in Reisebussen. Eine Millionen Besucher und mehr kommen jährlich auf den Keukenhof, und zwar alles im Zeitraum von Mitte März bis Mitte Mai.
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Bloemencorso
Einmal im Jahr, wenn Ende April die Blumen in Blüte stehen, finden in den Niederlanden an vielen Stellen Blumenparaden statt. Zwischen Nordwijk und Haarlem fährt einer der größten: Der Bloemencorso Bollenstreek.
In Nordwijk aan Zee am Königin Wilhelmina Boulevard wird der große Bloemencorso aufgebaut. Schon am Abend vorher stehen hier geschmückte Oldtimer, die am nächsten morgen in die Parade eingereiht werden. Nordwijk ist daher unsere Wahl für die Übernachtung.
Am nächsten morgen beziehen wir wie geplant Position. Für die fulminanten Motivwagen werden unfassbare Mengen Hyazinthen und andere Blumen auf perforierte Trägerkopri gesteckt. Die Wagen müssen kurz vor dem Corso angefertigt werden, damit sie nicht schon am Tag der Parade welk sind. Es werden vor allem politische Themen aufgegriffen, so wie bei einem Karnevalszug.
Der Bloemencorso ist eine gute Stunde später bereits an uns vorbeigezogen. Er fährt weiter über den Keukenhof bis nach Haarlem, daher wo wir gestern kamen. Für uns geht es südwärts weiter in Richtung Den Haag.
Katwijk aan Zee
Wir sind vor lauter Naturschutzgebiet und seidenglatt asphaltierter Komfortradwege maximal tiefenentspannt, da erwischt uns auf der Promenade von Katwijk unerwartet ein krasses Kontrastprogramm zu all der Ruhe. Über mehrere Kilometer reiht sich ein Jeep hinter den anderen. Alle mit laufendem Motor und nervösem Gasfuß, die Luft voll mit Ruß und Dieseldunst, Mikimäuse vonnöten. Vom runtergestrippten Strandbuggy Marke Eigenbau bis zum blitzblank polierten Defender alles vorhanden. In jedem Vehikel ein stolzer Besitzer, der unbedingt mal die Dünen durchpflügen will. Und genau dafür sind sie hier. Katwijk veranstaltet 4×4 Katwijk aan Zee. Jeder der will darf hier mal seine Öltropfende Karre durch den Sand fahren.
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Meijendel
Verrückt, denn nur 1km weiter gelten wieder strenge Naturschutzregeln inkl. mit hohen Geldstrafen erzwungene Wegepflicht. Wie z.B. im größten zusammenhängenden Dünengebiet Südholland Meijendel. Hier lebt das Damwild frei und soll möglichst nicht gestört werden. Ebenso Galloways, schottische Rinder. Die empfindliche Vegetationsschicht verträgt keinen Fußtritt, weil der Bewuchs für Jahre zerstört werden würde.
Wie die Schafe so sind auch schottische Hochlandrinder, sog. Galloways, in den Dünen ausgesetzt worden. Angeblich halten sie von selbst Ihre Population, werden allerdings tierpflegerisch betreut. Gesehen haben wir auf unserer Tour leider keine, aber es gibt sie.
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Westwall
1940 besetzte die deutsche Wehrmacht die Niederlande. Die Deutschen trafen auf wenig Widerstand, denn die Niederlande hatten gehofft im Krieg neutral bleiben zu können und daher weder sich selbst auf Widerstand vorbereitet, noch ein Verteidigungsbündnis geschlossen.
Die Wehrmacht baute in den folgenden Jahren den „Atlantikwall“, eine Verteidigungslinie von Dänemark bis an die Grenze zu Spanien, bestehend aus Geschützbunkern, Mienenfeldern und Panzersperren. Bis zum D-Day am 6. Juni 1944 waren von den geplanten Bunkeranlagen über 12.000 fertiggestellt, 500.000 Panzersperren installiert und 6.5 Millionen Mienen verlegt. Der Atlantikwall, obgleich die größte Befestigungsanlage der Geschichte, wird im Nachhinein als völlig Wirkungslos, gar als einer der größten Kriegsfehler Hitlers gesehen. Nicht fertig, zu wenig Tiefe, zu schwach besetzt, an den falschen Stellen verdichtet. Der Traum Hitlers, 2.500km Küstenlinie zu sichern, platzte am 06. Juni 44 innerhalb einer einzigen Stunde, und zwar während er träumte: Er schlief auf dem Obersalzberg, keiner traute sich, Ihn zu wecken.
1942 wurde Scheveningen, welches heute ein Stadtteil von Den Haag ist, zu Sperrgebiet. 135.000 Menschen mussten Ihre Häuser verlassen, tausende Gebäude wurden abgerissen, über 3000 Soldaten wurden stationiert, 900 Militärgebäude errichtet. Davon 500 Bunker für den Atlantikwall, von denen heute noch über die Hälfte vorhanden ist. Einige sind sogar zu besichtigen.
Den Haag
Eine Seebrücke 45m über dem Meer, mit Riesenrad, Hotel, Clubs, Fressmeile und Bungeeturm. Radaumeile oder traditionsreiches Wahrzeichen von Scheveningen Den Haag ? Wahrscheinlich beides ein bißchen.
Auf unserem Weg von Den Haag nach Rotterdam fahren wir durch nördlich von Delft gelegene Naturschutzgebiete.
Kinderdijk
Kinderdijk liegt 15km südöstlich von Rotterdam. Hier gibt es eine Menge Windmühlen zu sehen, die als eines der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Niederlande gelten. Die Mühlen von Kinderdijk sind 1997 in die UNESCO-Liste des Welterbes eingetragen worden.
Die Mühlen von Kinderdijk sind allerdings technisch keine Mühlen. Sie sind im 18.JH nicht zum mahlen von Mehl gebaut worden, sondern um Wasser aus den Poldern zu pumpen. Um das Land zu entwässern und landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Es sind nicht Windmühlen, sondern Windpumpen.
Die Kanäle zwischen den Poldern bieten vielen Vögel einen Lebensraum. Neben Haubentauchern, Graureihern, Kormoranen und Schwänen sehen wir eine vielköpfige Entenfamilie, mit stolzen Eltern als Vorhut und Schlusslicht.
Rotterdam
Im Rotterdamer Hafen am Wilhelminapier war von 1896 bis 1970 das Hauptquartier der Holland-America-Lijn, die Linie, die von hier aus tausende von europäischen Emigranten nach Amerika fuhr. Das Gebäude besteht noch heute, steht unter Denkmalschutz und ist äußerlich recht original erhalten. Allerdings mit einer anderen Nutzung.
Im Inneren wurde mit viel Sensibilität ein Hotel integriert. Kein Zimmer gleicht dem anderen, jedes individuell mit eigenem Thema und viel Geschick durchgestaltet. Keine Spur von Flächenoptimierung, wie man es von heutigen Hotelketten kennt. Manche Bäder sind größer als die Zimmer heutiger Hotels. Gigantische Raumhöhe von fünf Meter und mehr. Ein Traum.
Erasmusbrücke
1996 eröffnete Königin Beatrix feierlich die Erasmusbrücke, die über die Nieuwe Maas spannt und das Zentrum von Rotterdam mit dem Kop van Zuid verbindet. Sie steht ziemlich genau auf Rheinkilometer 1000, die Nieuwe Maas ist ein Hauptstrom des Rhein-Maas-Deltas. Entworfen wurde die Brücke von den Architekten Ben van Berkel und Caroline Bos. Sie ist heute das Wahrzeichen von Rotterdam.
„De Rotterdam“ war einst der Name eines Schiffes der Holland-America-Lijn. Heute ist es der Name eines multifunktionalen Hochhauses am Wilhelminapier, von dem die Architekten OMA (Office for Metropolitan Architecture) sagen, es sei ein Modell für die „Vertikale Stadt“. Nicht verwunderlich, schließlich ist es ein Hochhaus, bzw. gleich mehrere aneinander geklebt. Es enthält Büros, Apartments, ein Hotel, Konferenzräume, Geschäfte, Restaurants und mehr. Bei allem Reiz, den so eine etwas sonderbare Großskulptur hat, solange sie alleine bleibt, hoffen wir, dass die Stadt der Zukunft nicht zu vertikal wird.
Zeit für uns nach Hause zu fahren. In Rotterdam ist sogar der Bahnhof einen Besuch wert. Benthem Crouwl Architects haben sich hier mir einem metallenen Faltwerk der besonderen Art verewigt. Von außen wie von innen großzügig und modern und besonders. Warum in Holland in jedem Bahnhof beim Hineingehen und Hinausgehen Vereinzelungsanlagen überwunden werden müssen, wird uns nicht ganz klar. Aber egal : Holland ist so geil – Holland darf das. Tschüss.
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